Mit Engagement haben die Mitglieder des Fördervereins Schloss Hessen e.V. viel für die Sanierung des Schlosses in Hessen mit seiner eindrucksvollen Parkanalge getan.
Lesen Sie hier einen ausführlichen Bericht zur Geschichte des Ortes Hessen mit seinem Schloss!
Der Ortsteil Hessen liegt dicht an der nördlichen Grenze des Landkreises Harz zum Land Niedersachsen und hat eine über 1000 – jährige Geschichte aufzuweisen. Von 1343 bis 1941 gehörte der Ort zum Herzogtum Braunschweig, wurde dann im Rahmen eines Gebietsaustausches preußisches Terrain und fiel damit 1945 in die sowjetische Besatzungszone. Das Jahr 1343 ist nicht nur hinsichtlich des Eigentumsübergangs des Ortes Hessen und der schon damals vorhandenen befestigten Wehranlage an die Welfen bedeutsam.
Mit diesem Besitzwechsel wurde im gleichen Jahr auch der Weg nach Mattierzoll (heute B 79) aufgeschüttet, der Hessendamm, wie er noch heute genannt wird, wurde dauerhaft durch das morastische Große Bruch passierbar. Für die Region war das durchaus von wirtschaftlicher Bedeutung, denn diesen Überweg nutzten Handelsleute, die die alte Handelstraße Leipzig – Hannover – Bremen befuhren, wenn sie die Küste mit ihren Häfen erreichen wollten. Damit wurde Hessen und die mittlerweile entstandene Niederungsburg in seiner Bedeutung für die Mächtigen jener Zeit wesentlich aufgewertet.
Die aus dieser Niederungsburg hervorgegangene Schloss –und Parkanlage prägt seit Jahrhunderten mit ihren zwei unübersehbar mächtigen Türmen das Ortsbild. Aus Geldnöten jedoch wird der Ort samt Burg durch die Welfen bis ins 16. Jahrhundert hinein in fremden Pfandbesitz gegeben, im Jahr 1536 jedoch geht der Besitz wieder auf der Braunschweiger Herzog Heinrich den Jüngeren über, der zuvor den letzten Pfandpächter gewaltsam vertrieben hatte. Unmittelbar nach der Inbesitznahme durch Heinrich den Jüngeren beginnt eine erste Umbauphase des Anwesens, die bis 1538 andauert. Als der einzige, noch lebende Sohn Heinrich des Jüngeren, der spätere Herzog Julius sich mit der brandenburgischen Prinzessin Hedwig 1560 vermählte, wurde dem jungen Paar das Anwesen Hessen als ständiger Wohnsitz zugewiesen. Julius und Hedwig leben sehr gern auf Schloss Hessen, Hedwig begeistert sich für die bereits vorhandenen Gartenanlagen, kauft und tauscht Pflanzen in ganz Europa.
Damit beginnt eine für ca. 120 Jahre andauernde Blütezeit, durch rege Bautätigkeit der Braunschweiger Herzöge entsteht durch mehrfache Um –und Anbauten ein prachtvolles Renaissanceschloss mit einer bedeutenden Gartenanlage. Am 15. Oktober 1564 wurde der wohl bedeutendste Hessener geboren. Heinrich Julius erblickte als Sohn von Julius und Hedwig auf Schloss Hessen das Licht dieser Welt. Während seiner Amtszeit (1589 – 1613) ließ Heinrich Julius von Paul Francke das Schloss im manieristischem Stil um –und ausbauen.Francke war später Baumeister der Hauptkirche Beatae Virginis in Wolfenbüttel und des Juleums in Helmstedt. Herzog Heinrich Julius, späterer Bischof von Halberstadt und Geheimer Rat des Kaisers Rudolf II. war ein hoch gebildeter Renaissancefürst, der den schöngeistigen Dingen sehr zugetan war, demzufolge verschlang seine glänzende Hofhaltung auch auf Schloss Hessen Unsummen. Die Schloss –und Gartenanlage Hessen war Heimstätte für Musik, Theater, wertvolles Mobiliar, glanzvolle Jagdgesellschaften und opulente Feste. Das Schloss in dem kleinen Ort Hessen ist nun Neben –und Sommerresidenz der Braunschweiger Herzöge, ist auch Witwensitz von 3 Herzoginnen nach dem Tode ihrer Ehegatten. In dieser Zeit wurde auf Schloss Hessen prachtvoll Hof gehalten. Die Braunschweiger Herzöge Julius und Heinrich Julius versetzten letztlich gemeinsam mit ihren Frauen Hedwig und Elisabeth das Anwesen in einen solchen Zustand, dass es allen Ansprüchen zur Demonstration und Repräsentation ihrer Macht, ihres Reichtums und Einflusses gerecht werden konnte. Das Anwesen hatte eine untypische Dreiteilung, bestand aus einer Oberburg, einer Unterburg und einem großen Wirtschaftshof. Dazu gehörten Fischweiher zur Karpfenzucht, sogar ein Weinberg wurde kultiviert. Diese Dreiteilung findet man am dänischen Schloss Frederiksburg wieder. Dieser Bezug wird verständlich, wenn man erfährt, dass keine geringere als die Schwester des dänischen Königs Christian IV., Elisabeth von Herzog Heinrich Julius 1590 geheiratet wird. Auch sie schließt Hessen mit dem Garten in ihr Herz und hält sich dort sehr oft auf. Damit werden auch gewisse Parallelen zum Lustgarten der königlichen Sommerresidenz Rosenborg vor den Toren Kopenhagens erklärbar. Nicht das Schloss hat Hessen in dieser Zeit in Deutschland und darüber hinaus bekannt gemacht, sondern es war der Garten, der das bauliche Ensemble zu einem der bedeutenden Standort der Spätrenaissance im nördlichen Vorharzgebiet gemacht hat.
Mit großer Hingabe widmete sich Elisabeth ihrem Lustgarten, denn sie trieb der Ehrgeiz einen solchen Garten zu besitzen, der den ihrer königlichen Schwester in Oxford übertraf. Somit wurde der Garten neben den repräsentativen Zwecken als eine der größten botanischen Sammlungen im norddeutschen Raum betrieben und war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Vorbild für die höfische Gartenkultur der deutschen Fürsten und darüber hinaus in Europa. Mit ca. 1800 Pflanzenarten in ständiger Kultur übertraf die Hessener Sammlung jene in Montpellier (ca. 1200 Arten), Oxford (ca. 1.400 Arten) und Leiden (Ca. 900 Arten).
Heute ist das Gartenareal eine profane grüne Wiese, archäologische Untersuchungen zeigten aber das unter dem Rasen noch vielfältige Reste der Gestaltungselemente des ehemaligen Lustgartens schlummern.
Nach 1680 erlosch das Interesse der nachfolgenden Regenten, Schloss und Garten Hessen versanken in die Bedeutungslosigkeit, waren dann nur noch landwirtschaftliche Pachtdomäne. Mit der Bodenreform wurden 1946 die Eigentumsverhältnisse grundlegend geändert. Die dazugehörigen Acker –und Waldflächen als eigentliche wirtschaftliche Grundlage des großen Anwesens wurden auf 126 Bodenreformsiedler aufgeteilt, das Gebäudeensemble des Schlosses wurde der Kommune übereignet. Bereits zu dieser Zeit wurde der prachtvollste Teil, der repräsentative Renaissancewestflügel, vornehmlich aus ideologischen Gründen abgerissen. In den nachfolgenden Jahrzehnten war die Kommune auf Grund fehlender materieller und finanzieller Ressourcen mit dem Unterhalt der übrigen Bausubstanz hoffnungslos überfordert, weiterer Verfall trat ein, Dächer brachen zusammen, die einstige prachtvolle Anlage entwickelte sich zum ruinösen Schandfleck für den Ort Hessen.
Für das Schlossensemble kam die Wende 1989 buchstäblich noch im letzten Moment, weitere DDR-Jahre hätten wohl zum Totaluntergang eines wertvollen Renaissancebauwerks geführt, das aber trotz allem immer unter Denkmalschutz stand. Die Gemeinde Hessen unternahm bis 1993 vielfältige Anstrengungen, um zumindest für die sogenannte Unterburg die dringend notwendige Grundsicherung zu realisieren. So bekamen einer beiden Schlosstürme, der sogenannte Hausmannsturm, das Domänenpächterhaus und das Torhaus neue Dächer, wurden statisch gesichert, die Fassaden wurden saniert, Fenster erneuert. Diese Aufgaben konnten nur dank umfangreicher finanzieller Hilfen durch den Bund, das Land, der Landkreise Wolfenbüttel und Halberstadt und der Deutschen Stiftung Denkmalpflege durchgeführt werden. Nun stand aber noch für die Kommune die weitaus größere Aufgabe, die sogenannte Oberburg, also das eigentliche Schloss bzw. die noch vorhandenen Süd –und Ostflügel vor dem weiteren Verfall zu bewahren und einer sinnvollen Verwendung zu zuführen. Aber hier waren finanzielle Grenzen erreicht, die Gemüter erregten sich darüber, wie es genutzt und ob angesichts des baulichen Zustandes überhaupt eine sinnvolle Verwendung möglich wäre.
Zu diesem Zeitpunkt gründete sich im April 1995 der Förderverein „Schloß Hessen“ e.V.. Nach einer kurzen Selbstfindungsphase wurde nach eingehender Diskussion das Projekt „Bürgerschaftliches Engagement gibt einem Denkmal die Würde wieder“ in Angriff genommen. Allen Mitgliedern war klar, dass hier über Jahre langfristig konzeptionelle Arbeit geleistet werden musste, dass es angesichts der Größe der Aufgabe Jahre dauern würde, ehe man zu ersten sichtbaren Erfolgen kommen würde. Aber letztlich ging es nicht nur die rein bautechnische Inwertsetzung eines ruinösen Baudenkmals, sondern vielmehr auch um die kulturelle Inwertsetzung, also auch um kulturelle Nutzungsinhalte, die auf die Region ausstrahlen und damit auch ihren Anteil zum dauerhaften Erhalt des Denkmals beitragen.
Die großartige kulturelle Vergangenheit kann man sicher nicht so ohne Weiteres wiederbeleben und auf die Gegenwart übertragen, aber es bestand von Beginn des Projektes auch das Ziel, dass das Schloss kultureller Anziehungspunkt für die Region werden soll.
Der Förderverein „Schloß Hessen“ e.V. hat sich nun seit 1995 federführend um die Sicherung und Herrichtung der Schlossanlage bemüht, damit wurde die Kommune als Eigentümerin unterstützt und entlastet. Der Förderverein hat sich für die Finanzierung einzelner Sanierungsabschnitte engagiert, hat Fördergelder beschafft und entstandene Einnahmen aus der Vielzahl seiner Veranstaltungen für die bauliche Sicherung mit einfließen lassen.
Als aktuelles Beispiel sei die Restaurierung eines Deckengemäldes im Schlossturm aus dem Jahr 1589 genannt, die in wenigen Wochen abgeschlossen sein wird. Der Verein hat über den Zeitraum von mehr als 10 Jahren auch dank der Unterstützung von zahlreichen Sponsoren und Fördergeldgebern über 60.000 € aufgebracht, um das stark geschädigte Kunstwerk der Nachwelt zu erhalten. Bei allen Vorhaben wurde nach dem Grundprinzip vorgegangen – „Sanieren, um zu nutzen“, d.h. es wurden zunächst für einzelne Gebäudeteile Nutzungskonzepte entwickelt. Auf dieser Basis wurde dann gemeinsam mit der Kommune nach Finanzierungsmöglichkeiten gesucht und denkmalgerecht saniert. So ist im Südflügel ein Ausstellungs –und Veranstaltungssaal entstanden. Ein Teil des Ostflügels wird für die gastronomische Versorgung durch den Verein bei Veranstaltungen genutzt. In der Kelleretage des Südflügels konnte ein Jugendclub etabliert werden.
Der Eckpavillon wird nach mehrjähriger Sanierung für zwei Dauerausstellungen genutzt.
Im Kellergewölbe des Ostflügels präsentiert die örtliche Freiwillige Feuerwehr ihre historische Löschtechnik in einer Ausstellung. Wichtige Vorarbeiten wurden für die Neugestaltung des Garten –und Parkareals geleistet, der Bereich wurde archäologisch untersucht und vermessen. Die Ergebnisse wurden in ein denkmalpflegerisches Rahmenkonzept für die Gesamtanlage übernommen, das jetzt nach einjähriger Erarbeitungsphase zur Verfügung steht. Hier werden Empfehlungen und Zielstellungen für den weiteren Umgang mit der Schloss –und Parkanlage formuliert. Der Förderverein nutzt die historische denkmalgeschützte Kulisse für vielfältige Veranstaltungen. Die Räumlichkeiten im Südflügel werden ständig für Ausstellungen, Konzerte und Vorträge genutzt. Im Innenhof finden Theateraufführungen und Konzerte open air statt.
Das Projekt „Bürgerschaftliches Engagement gibt einem Denkmal die Würde wieder“ war Leitlinie für viele einzelne Etappen und Vorhaben in der bautechnischen und kulturellen Wiederbelebung der denkmalgeschützten Schloss –und Parkanlage, die mittlerweile auch mehr und mehr Besucher zu den Führungen und Öffnungszeiten anlockt. Allerdings sind noch große Aufgaben zu bewältigen, ehe alle Zielsetzungen des denkmalpflegerischen Rahmenkonzeptes Realität sein werden. Damit wird die Projektidee, durch bürgerschaftliche Beteiligung ein Denkmal zu erhalten und für die Allgemeinheit nutzfähig zu machen, keineswegs an Bedeutung verlieren. Das Projekt wird auch zukünftig Grundlage für weiteres Engagement der Mitglieder des Fördervereins sein.
Förderverein „Schloß Hessen“ e.V.
Stobenstraße 15
38835 Osterwieck – OT Hessen
Tel.: 039426 5583
web: www.schloss-hessen.de